DrehPunktKultur - August 2007 - Written by Karl Winkler
Ein Tanz mit dem Teufel
Jerome Rose (Klavier) spielte bei seinem Dozentenkonzert am Dienstag (7.8.) im Wiener Saal Werke von Beethoven, Schumann, Müllenbach, Liszt und Chopin.
08/08/07 In Liszts "Tanz in der Dorfschänke" schien der Leibhaftige persönlich aufzuspielen, prasselnd ging ein Funkenregen nieder, und der Walzer erlaubte keine Verschnaufpause, wurde zu einer raschen Verführung mit drohendem Unterton. Ungebremst ließ Jerome Rose das Gebälk buchstäblich zusammenkrachen, ein tollkühner Ausbruch, dann war die Spelunke abgebrannt.
So spielte er sich die Wut über den verlorenen Faden von der Seele. Wenige Sekunden vor dem Ende eines großen Programms war er ihm gerissen, in Chopins grollendem Presto-Finale der zweiten Klaviersonate. Man hätte ihn so auch nicht gehen lassen wollen, denn reich war die Ernte dieses brillanten Romantikers am Klavier. Schon im Scherzo des op.35 hatte er mühelos federnd die Oktavenetüde in den Schatten gestellt, um im Mittelteil dafür viele Stimmen eindringlich zum Leben zu erwecken. In Erinnerung bleibt auch der heftig artikulierte erste Satz und die große Klage der Marche funèbre, der düstere Halbtonschritt des Basses, der den Trauerkondukt um die Kathedrale geleitete.
Begonnen hatte der Abend mit Beethovens Sonate op.31/3, sehr gebunden und beinahe mild, aber schon die Durchführung des ersten Satzes zerlegte das Material. Kein Lautstärkekontrast ist da eingeebnet, ohne dass Rose indes die Lautstärke übertriebe. Auch nicht das Tempo, selbst wenn es für Augenblicke schien, er müsse sich sehr beherrschen, um sich nicht selbst zu überholen.
Schumanns Fantasie op.17 kommt diesem Temperament ideal entgegen. Da darf er loslegen, die Aufschwünge sind ungeheuer, kurze Momente des Innehaltens werden umso bedeutsamer. Und mitten im großen Schwung tauchen überraschend, sorgfältig gezeichnet, kleine Verzierungen auf, zerbrechliche Schiffchen auf stürmischer See. Fantastisch die Temporegie, frei und natürlich (Rose atmet nicht nur mit, er singt auch mit, manchmal hört man es). Herrlich körperhaft ist sein Ton, dicht bis in die tiefsten Bässe, eine Fähigkeit, die nur den Besten zur Verfügung steht.
Der Direktor der Sommerakademie, Alexander Müllenbach, durfte sich gleich nach der Pause besonders freuen: "Unter dem Regenbogen" heißt eine Sammlung von elf Stücken, die er 1991 geschrieben hat, technisch sich steigernd vom Anfänger bis zum Lehrer. Jerome Rose spielte die letzten drei, liebevoll und mit Witz (Nr.11: "Katzen aller Arten"), manche Wendung ließ an eine – durchaus eigenständige – Debussy-Nachfolge denken.
Jerome Rose, Jahrgang 1938 und bestens in Form, ist fast unmittelbar von seinem renommierten International Keyboard Institute & Festival in New York (15. bis 29.Juli) zur Sommerakademie des Mozarteums nach Salzburg gekommen. Man möchte ihn gerne wieder hier sehen und hören.
Jerome Rose, geboren 1938, studierte u.a. bei Rudolf Serkin. Er ist Gewinner des Busoni-Wettbewerbs 1961 und des Grand Prix der Budapester Liszt Gesellschaft für seine Liszt-Aufnahmen. Gründer und Leiter des International Keyboard Institute & Festival, New York City (heuer u.a. mit Jeffrey Swann, Michel Béroff, Marc-André Hamelin). Jerome Roseveröffentlicht seine Aufnahmen (auch frühere) unter seinem eigenen Label Medici Classics.